Dein Potsdam
Pyramide im Neuen Garten, Foto: PMSG SPSG André Stiebitz
Marmorpalais im Neuen Garten, Foto: PMSG SPSG André Stiebitz
Marmorpalais im Neuen Garten, Foto: PMSG SPSG André Stiebitz

Dein Potsdam-Küchengeflüster – November 2023

Einmal im Monat nimmt dich die Genusstrainerin und Gastrosophin Katrine Lihn mit auf eine Entdeckungsreise durch Potsdams Töpfe und Pfannen. Mit ihren inspirierenden Rezepten kannst du das Potsdam-Gefühl auch zu Hause kulinarisch erleben. Dieses Mal zum Genießen: Vanilleeis mit heißen Kirschen „plus“. 

Entdeckungen sind in Potsdam an der Tagesordnung. Es gibt nicht nur für die Gäste viel zu sehen und zu erleben, auch ich als „Wahlpotsdamerin“ bin immer wieder fasziniert von der Vielfalt der Möglichkeiten. In diesem November spazieren wir durch den Neuen Garten, der selbstverständlich ein Park ist und etliche höchst außergewöhnliche Figuren, Gebäude und somit spannende Geschichten birgt.

„Der dicke Lüderjahn“

Als erstes nehmen wir einen Kaffee und stimmen uns ein. Das Narrativ beginnt mit einem Oxymoron (der doppeldeutigen Begrifflichkeit), hier meine ich das offene Geheimnis von Friedrich Wilhelm II. Er lebte von 1744 bis 1797 und war bekannt für seine frivole Art und der großen Freude an der Damenwelt. Unter der Hand wurde er als „Der dicke Lüderjahn“ bezeichnet, weil er Extravaganzen liebte und sich diese als Herrscher „einfach so“ leisten konnte. Seine Vorlieben für Gärten und besondere okkulte Bauweisen wurden durch seinen Hofbaudirekter Carl Gotthard Langhans in Szene gesetzt. So werden wir auf unserem Spaziergang durch den Neuen Garten, Ägypter treffen, vor einer Pyramide landen und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, begegnen wir auch noch einem Elefanten. Doch der Reihe nach. Bitteschön.

Der Garten vom Schloss Schwetzingen

Die mächtigen Adligen ließen sich von ihren Verwandten, durchaus auch von Gegenspielern inspirieren um sich selbst in ein besonderes Licht zu setzen. Friedrich Wilhelm II. liebäugelte mit okultischen und alchemistischen Dingen, daraus entstand seine Idee, einen Neuen Garten anlegen zu lassen – nach dem Vorbild des Schwetzinger Schlossgartens. Wobei der guten Ordnung halber zu sagen ist, der Neue Garten ist der Namensgeber für einen stattlichen Park. Versteht sich.

Das Marmorpalais

Fürstlicher Glanz mit entsprechenden Figuren, Hieroglyphen und orientalischen Mustern standen auf der Wunschliste des Königs. So wurde nach den Plänen des Architekten Carl von Gontard (1787–91) das Marmor Palais direkt am Heiligen See errichtet. Ein entzückendes Kleinod, welches als Sommerresidenz diente, auch um sich die Zeit mit Freunden und Mätressen zu versüßen.

Der königliche Kühlschrank

Um die Gaumenfreuden der preußischen Gesellschaft frisch zuhalten, mussten sich die Küchenmeister im 18. Jahrhundert etwas einfallen lassen. Ein Eiskeller sollte Abhilfe schaffen. Friedrich Wilhelm II ließ sich von Carl Gotthard Langhans beraten, der sowohl in Berlin als auch in Potsdam als höchster Baubeamte verantwortlich war. Etwas Außergewöhnliches sollte dieser königliche Kühlschrank werden. Ein Hingucker! Halt einfach etwas, was die anderen Herrschenden in Europa nicht haben. Eine Pyramide!

Von 1791–93 ließ der oberste Direkter der Baubehörde sowohl die Orangerie im Neuen Garten, als auch die gewünschte Pyramide errichten. Beide zeichnen sich durch Anlehnungen an ägyptische Bauweisen aus.

An der Pyramide finden sich sieben Symbolzeichen aus der Antike. Sie stehen für die sieben Planten und wurden von der alchemistischen-rosenkreuzer Tradition den sieben Metallen zugeordnet. Ein komplexes Thema, bei den „Rosenkreuzern“ (denen sich Friedrich Wilhelm II. zugehörig fühlte) – handelt es sich um eine okkultistische-philosophische Manifestationsgruppe. Sie schwören allem Neuen ab und waren vom mystischen Illuminismus fasziniert, diese Gemeinschaft fand allerdings nach 1787 ein Ende. Wobei es Freimaurer Vereinigungen, sogenannte „Logen“ immer noch gibt. Sie verstehen sich als besondere Gutmenschen, die tolerante Brüderlichkeit, Aufklärung und Humanität in die Welt tragen. Na, sei's drum.

All diese Tugenden trug wohl auch Friedrich Wilhelm II., gepaart mit der Freude an außergewöhnlichen, fremden Formen – in sich. So finden sich am Sockel der Pyramide Hieroglyphen, die die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft symbolisieren, die einen besonderen Stellenwert in der Manifestation der Rosenkreuzer hatten.

In direkter Nachbarschaft der Pyramide gibt es weitere ägyptische Figuren zu bestaunen. Im Eingangsbereich der Orangerie des Neuen Gartens stehen zwei schwarzen Götter-Statuen, die von einer liegenden Sphinx bewacht werden.

Und um dem allen noch einen weiteren Blickfang zu schenken, schlendern wir zum Elefantenbaum. Er steht als lebensgroßer, grüner Stellvertreter einfach so im Neuen Garten rum. Eine weitere Attraktion, die es zu bestaunen lohnt!

Die Pyramide, die mehr oder weniger neben dem „grünen Riesen“ steht, wurde in erster Linie als Eiskeller genutzt. Die kalten Winter ließen den Heiligen See zufrieren, aus diesem Eis wurden Blöcke geschlagen, die im Inneren der Pyramide lagerten und bis in den Frühling und teilweise wohl auch bis in den Sommer Lebensmittel kühlten. Eine besondere Art der Vorratshaltung, die heute im 21. Jahrhundert mit Hochachtung zu betrachten ist. Welch geniale Idee. Jede Epoche, die Herrschenden aller Länder haben sich immer wieder Kurioses gegönnt und tun dies wohl auch heute noch.

Nach diesem außergewöhnlichen Spaziergang gönnen wir uns ein etwas anderes Eis, die Jahreszeit gebietet schließlich Heißes. Guten Appetit!

 

 

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Potsdamer Genusstrainerin und Gastrosophin

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